Danske Invest: Stehen wir am Anfang eines großen Abschwungs auf den Anleihenmärkten?
Bo Bejstrup Christensen, Chefanalyst bei Danske Invest
Bo Bejstrup Christensen, Chefanalyst bei Danske Invest,
schreibt in einer aktuellen Einschätzung:
"In der letzten Zeit mussten Anleiheinvestoren schwierige Zeiten
durchleben. In Europa, insbesondere in Deutschland, aber auch in den
USA sind die Zinsen gestiegen. Investoren rechnen damit, dass die
US-Notenbank die Zinsen in den nächsten Jahren deutlich erhöhen wird.
Im Verlauf der letzten Wochen sind die deutschen Zinsen um mehr als
einen halben Prozentpunkt gestiegen. Unter den Investoren breitet sich
langsam Panik aus, da sich viele fragen, ob dies der Beginn eines
Abschwungs ist.
Wir glauben nicht an einen Abschwung auf dem Anleihemarkt. Wir gehen
von steigenden Zinsen aus. Allerdings glauben wir nicht, dass diese
massiv ausfallen und deutliche Verluste am Anleihemarkt oder weitere
negative Konsequenzen auf alle Bereiche des Finanzmarkts wie Aktien
und Unternehmensanleihen zur Folge haben werden.
Solides Wachstum
In den USA gehen wir trotz der Enttäuschungen im ersten Quartal
davon aus, dass das Wachstum in den nächsten Monaten auf ein Niveau
von etwa drei Prozent steigen wird. Ein solches Wachstum wird stark
genug sein, um im privaten Sektor durchschnittlich 250.000 neue Jobs
pro Monat zu schaffen. Auch ist ein solches Wirtschaftswachstum
solide genug, um eine der Bedingungen der US-Notenbank zur Straffung
ihrer Geldpolitik zu erfüllen.
In diesem Zusammenhang ist auch die Bereitschaft zur Kreditvergabe
an den privaten Sektor wichtig. Die letzten Daten vom 4. Mai unter-
streichen, dass die Banken dem privaten Sektor allmählich wieder den
Kreditzugang erleichtern. Noch wichtiger ist allerdings, dass die
Banken wieder in bedeutendem Umfang Zugang zu Wohnungsdarlehen
ermöglichen. Die restriktiven Kreditbedingungen bei Wohnungsdar-
lehen waren bzw. sind das entscheidende Hemmnis für Verbesserungen
auf dem Wohnungsmarkt und haben das Wachstum insgesamt behindert.
Daher glauben wir, dass es nun wieder aufwärts geht und erwarten
einen Anstieg des US-Wachstums auf etwa drei Prozent in den ver-
bleibenden Monaten des Jahres 2015.
Endlich steigende Löhne in den USA
Eine weitere Bedingung der US-Notenbank zur Straffung der Geld-
politik war die Bestätigung steigender Inflationserwartungen.
Zentral waren in diesem Zusammenhang die bislang geringen Lohn-
steigerungen. Daher ist der am 30. April veröffentlichte
Quartalsbericht zur Lohnentwicklung von entscheidender Bedeutung.
Nach mehreren Jahren mit geringen Lohnzuwächsen von ungefähr
zwei Prozent im privaten Sektor, haben sich die Lohnzuwächse
nun beschleunigt und liegen zwischen 2,5 und 3 Prozent. Unserer
Meinung nach liegt dies insbesondere an der in den letzten
Jahren gefallenen Arbeitslosenquote.
Sollten sich unsere Wachstumsprognosen bestätigen, werden die
Lohnzuwächse weiter moderat steigen. Zusammen führen diese beiden
Faktoren unserer Einschätzung zufolge dazu, dass der Markt sich
während der Sommermonate auf die anstehenden Zinserhöhungen vor-
bereiten wird.
Dies könnte die erste Zinserhöhung von vielen sein, die auch die
Anleihezinsen in den nächsten Monaten nach oben treiben wird. Wir
schließen dabei nicht aus, dass diese Korrektur nach oben kurzzeitig
recht kräftig ausfallen kann. Allerdings glauben wir auch, dass die
US-Notenbank vorsichtig vorgehen wird, um die Geldpolitik nicht zu
stark bzw. zu schnell zu straffen. Die dadurch auftretende Unsicher-
heit auf dem Anleihen- und dem Aktienmarkt wird daher nur vorüber-
gehend sein. Es steht uns somit kein Blutbad auf dem amerikanischen
Anleihenmarkt bevor, sondern lediglich eine Zeit mit mäßigen
negativen Erträgen bei US-Anleihen.
Europäische Zinsen können weiterhin leicht steigen
Blickt man nach Europa, so ist die Situation ein wenig anders.
Die Angst vor geringem Wachstum, Erwartungen einer niedrigen
Inflationsrate und die historisch lockere Geldpolitik - darunter
das Anleihe-Aufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) –
haben die europäischen Zinsen auf ein zuvor unvorstellbares Niveau
gesenkt. "
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